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Private Chats am Arbeitsplatz: Wann können sie zur Kündigung führen?

  • Autorenbild: Roman Phillip Tabeau
    Roman Phillip Tabeau
  • 26. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktuelle Rechtsprechung zeigt: Auch private Nachrichten können arbeitsrechtliche Konsequenzen haben


Die Grenze zwischen Privatleben und Beruf verschwimmt in der digitalen Welt zunehmend. Viele Arbeitnehmer gehen davon aus, dass ihre privaten Nachrichten keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben können. Doch diese Annahme kann sich als gefährlicher Irrtum erweisen, wie ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt.


Der Präzedenzfall: WhatsApp-Gruppe wird zum Verhängnis


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte 2023 über einen Fall zu entscheiden, der vielen Arbeitnehmern eine Warnung sein sollte (Az.: 2 AZR 17/23). Ein Angestellter war Mitglied einer WhatsApp-Gruppe mit zeitweise bis zu sieben ehemaligen und aktiven Kollegen seines Unternehmens. In dieser Gruppe wurden mehrere hundert beleidigende und menschenverachtende Aussagen geteilt – auch mit direktem Bezug zum Arbeitsumfeld sowie zu Kollegen und Vorgesetzten.

Als der Arbeitgeber Kenntnis von diesen Nachrichten erlangte, sprach er eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Der betroffene Arbeitnehmer wehrte sich mit dem Argument, es habe sich um einen rein privaten Austausch gehandelt.


Die rechtliche Bewertung: Wann ist "privat" wirklich privat?


Vertraulichkeitserwartung bei größeren Gruppen

Das BAG stellte klar, dass bei einer Gruppe von sieben Personen nicht automatisch von Vertraulichkeit ausgegangen werden kann. Die Richter argumentierten, dass bei dieser Gruppengröße damit zu rechnen sei, dass Nachrichten nach außen getragen werden könnten. Für eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung wäre eine besondere Darlegung durch den Kläger erforderlich gewesen.

Diese Entscheidung steht im Kontrast zur ursprünglichen Auffassung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen, welches zunächst die Position vertrat, dass eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt sei, da die Kommunikation als vertraulich zu werten sei.


Außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung

Besonders bemerkenswert: Das BAG bestätigte auch die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Wie Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), erklärt: "Die Menge der rassistischen und beleidigenden Nachrichten hat das BAG so eingeschätzt, dass es keiner Abmahnung bedurfte." Durch die vielen Nachrichten habe der Angestellte bewiesen, dass er nicht belehrbar sei.


Der Regelfall: Abmahnung vor Kündigung wegen privater Chats


Standardverfahren bei problematischen Nachrichten

In den meisten Fällen führen problematische private Nachrichten nicht sofort zur Kündigung. Wenn beleidigende Nachrichten aus Privatchats an den Arbeitgeber weitergegeben werden, wird zunächst der Kontext der Nachrichten untersucht. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter in der Regel erst abmahnen. Nur wenn diese Abmahnung erfolglos bleibt und das problematische Verhalten fortgesetzt wird, kann eine Kündigung ausgesprochen werden.


Ausnahme: Strafrechtlich relevante Inhalte

Anders verhält es sich bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen. Hier kann eine sofortige Kündigung gerechtfertigt sein, ohne dass eine vorherige Abmahnung erforderlich ist.


Praktische Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer


1. Gruppengröße beachten

Je mehr Personen Zugang zu Ihren Nachrichten haben, desto geringer ist die Vertraulichkeitserwartung. Bei größeren Gruppen ist besondere Vorsicht geboten.


2. Berufsbezug vermeiden

Vermeiden Sie in privaten Chats grundsätzlich Äußerungen über Kollegen, Vorgesetzte oder das Unternehmen – auch wenn diese zunächst harmlos erscheinen mögen.


3. Respektvoller Umgang

Auch in privaten Nachrichten sollten Sie auf beleidigende, diskriminierende oder menschenverachtende Inhalte verzichten.


4. Bewusstsein für Konsequenzen

Bedenken Sie stets, dass private Nachrichten durchaus arbeitsrechtliche Folgen haben können, insbesondere wenn sie einen Berufsbezug aufweisen.


Fazit und rechtliche Einordnung

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 2 AZR 17/23) macht deutlich: Die Grenze zwischen privater Kommunikation und beruflichen Konsequenzen ist nicht so klar gezogen, wie viele Arbeitnehmer annehmen. Besonders bei Nachrichten mit Berufsbezug oder diskriminierenden Inhalten ist höchste Vorsicht geboten.

Die Entscheidung zeigt auch, dass Gerichte bei der Bewertung von Privatchats verschiedene Faktoren berücksichtigen:


  • Die Anzahl der Gruppenmitglieder

  • Den Inhalt und die Schwere der Äußerungen

  • Den Bezug zum Arbeitsplatz

  • Die Häufigkeit problematischer Nachrichten


Als Fachanwalt für Arbeitsrecht empfehle ich Arbeitnehmern, sich der möglichen Konsequenzen ihrer digitalen Kommunikation bewusst zu sein und im Zweifelsfall professionellen Rat einzuholen.


Haben Sie Fragen zum Thema Kündgung wegen privater Chats oder anderen arbeitsrechtlichen Themen?


Bei arbeitsrechtlichen Fragen stehe ich Ihnen gerne mit meiner langjährigen Expertise zur Verfügung. Vereinbaren Sie einen Beratungstermin für eine individuelle Einschätzung Ihres Falls.


Quellen:

  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2023, Az.: 2 AZR 17/23

  • n-tv.de Ratgeber, "Kann man für Privatchats gekündigt werden?", 25.08.2025

  • Expertenmeinung: Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht, DAV

 
 
 

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